Wie ich es liebe! Mit meiner Hündin Alma (meine Follower haben sie ja in einem meiner Posts auf Instagram oder Facebook schon kennengelernt) regelmäßig durch den Wienerwald zu gehen. Manches Mal schlendern wir nur so dahin, manches Mal gibt‘s einen Powerwalk, mitunter Laufen wir auch – bergauf und bergab. Wobei Alma immer um den Faktor 10 mehr Schritte macht als ich. Na ja, sie ist ja auch ein Hund und muss nebenbei in der Waldzeitung all die Neuigkeiten "lesen".
Egal in welcher Geschwindigkeit – rauf zum Husarentempel, runter zur Burg Mödling, um noch links die Burg Lichtenstein mitzunehmen ... stets bemerke ich, dass mir dabei ganz viele und unterschiedliche Gedanken durch den Kopf gehen (sic!). Richtig bemerkt, in diesem apropos möchte ich Sie heute gedanklich mitnehmen zu einer Eigenschaft, die vor Millionen von Jahren dem Menschen das Überleben sicherte: Das Gehen.
Aufrecht auf zwei Beinen den Blick in Weite schweifen lassen, gehend und laufend große Distanzen zurücklegen und dabei stets den Überblick bewahren – der evolutionäre Vorteil des aufrechten Ganges hat uns Menschen zu dominanten Natureroberern gemacht. Die Fähigkeit zu gehen, brachte vor allem einen immensen Vorteil: Wir haben die Hände frei für andere Aufgaben.
Was für mich als Psychologin so faszinierend ist: Dass Gehen, ohne etwas damit auszudrücken, nicht geht.
So gibt es den „Will gar nicht stören“-Gang: Schultern nach oben und innen gezogen, der Kopf versinkt im Hals, die Oberarme liegen eng am Oberkörper an, die Atmung ist flach, der Kiefer verspannt. Jeder Schritt ist eine Entschuldigung – aber wofür eigentlich?
Beim „Bin eigentlich gar nicht da"-Gang berühren die Füße kaum den Boden und zeigen nach innen, die Schultern sind hochgezogen, die Kopffreiheit ist eingeschränkt. Diese Art zu gehen verstärkt Angst und Zweifel und vermittelt dem gegenüber einen Mangel an Durchsetzungsvermögen.
Und kennen Sie den „Hui! Hab noch jede Menge zu erledigen“-Gang? Viel zu denken? Viel zu tun? Der Schwerpunkt beim Gehen liegt auf den Vorderfüßen, Kopf und Oberkörper ziehen nach vorn, im Körper entsteht so ein Ungleichgewicht. Er meldet dem Gehirn: Achtung, ich falle um! Diese Art zu gehen ist eine absolute Stressinformation.
Die Arme ausladend zur Seite, Brustkorb raus – und los! Der Gang ist zudem sehr breit und das Becken blockiert. Typisch für den „Aus dem Weg, jetzt komme ich“-Gang. Und was meint die Psychologie dazu? Feingefühl, Selbstreflexion und Veränderungswille sind wohl nicht die Stärken in diesem Moment.
Ich wäre nicht die neugierige und leidenschaftliche Psychologin, würde ich nicht auch die psychische Seite des physischen Gehens und allfällige Wechselwirkungen betrachten.
Oder anders: Wie wirkt sich gehen, wandern, spazieren auf unsere seelische Befindlichkeit aus? Dazu möchte ich Ihnen zunächst die „Charly Brown-Übung“ (Charly Brown, der Hauptprotagonist der Peanuts) vorstellen – so sagte er: "Wenn du deprimiert bist, ist es sehr wichtig, stark gebeugt dazustehen. Das Verkehrteste wäre, mit erhobenem Kopf und aufrecht zu gehen." Und zeigt humorvoll, dass es zwischen psychischen und körperlichen Phänomenen Wechselwirkungen gibt. Tatsächlich geht psychisches und physisches Geschehen ineinander über. Vereinfacht könnte man sagen: "Wie man geht, so ergeht es einem. Und wie es einem ergeht, so geht man."
Nachgewiesen ist die förderliche Wirkung von Sport und Bewegung. Regelmäßiges Gehen verlängert unsere Lebenserwartung. Durch Gehen wird innerlicher Stress schon nach zehn Minuten weniger erlebt. Es macht uns einfach entspannter und kann so auch Anspannungs- oder Angstzustände verringern. Gehen regt zudem die Ausschüttung von Glückshormonen an und kann so sogar das Auftreten von Depressionen reduzieren.
Das Gehen ist für mich auch Sinnbild für das Leben selbst. Es gibt einen Anfang, ein Ziel oder eine Richtung und einen Weg, auf dem sich Hindernisse befinden können. Und am eigenen Lebensweg suchen wir alle sozusagen nach Blumen: nach Sinn und Erfüllung.
Gehen regt einerseits die Ausschüttung sogenannter Glückshormone im Gehirn an (wie Endorphin und Serotonin) und erhöht unsere Konzentrationsfähigkeit. Die frische Luft hilft uns den Geist zu klären, unsere Gedanken scheinen klarer zu werden und wir können klarere Entscheidungen treffen. Viele Schriftsteller berichten davon, wie sie vom Gehen profitieren. Thomas Bernhard hat eine Erzählung namens "Gehen" geschrieben, und im Roman "Holzfällen" schreibt er, dass "in die Natur hineingehen das höchste Glück sei."
Gehen an sich hat also bereits einen therapeutischen Effekt auf Körper und Psyche. Gehen verbessert die Herzgesundheit. Es fördert Ausdauer, Gelenkigkeit sowie Koordinationsfähigkeit und trainiert unseren Gleichgewichtssinn. Gehen kräftigt die Muskulatur und Knochendichte, macht Gelenke belastbarer, massiert Rücken und Bandscheiben, kann Gelenks- und Rückenschmerzen lindern, bremst den Muskelschwund und reduziert die Osteoporose-Gefahr. Gehen halbiert das Alzheimer-Risiko und beugt Altersdemenz vor.
Auf was warten wir noch! Raus aus der Komfortzone und hinein in die Walking-, Lauf- oder anderen Schuhe. Und los geht's. Betreffend der idealen Schritteanzahl lade ich Sie in meine SocialMedia-Accounts auf Instagram oder Facebook ein. Dort gibt es zu diesem Thema den ausführlichen und wie ich meine durchaus überraschenden SCIENCE MATTERS-Post "10.000 Schritte – und das beinahe ewige Leben?"
"Gedanken wollen – wie Kinder und Hunde –, dass man mit ihnen im Freien spazieren geht."
... meinte Christian Morgenstern so treffend. Und genau das werde ich jetzt tun und mit Almi und meinen Gedanken eine Runde durch den Wald gehen.
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